Interkulturalität

Mareike Boccola übernahm 2015 von ihrem Vater das Familienunternehmen Hauschild Speedmixer GmbH & Co KG und führt es heute erfolgreich mit ihrem Mann.
Zuvor war sie über viele Jahre im Ausland tätig, unter anderem in China und Abu Dhabi.
Wie Interkulturalität in der Führungsebene das Unternehmen Hauschild bereichert

Silke Fußbahn im Gespräch mit Mareike Boccola

Sind Sie mit dem Gedanken aufgewachsen, dass Sie das Unternehmen Hauschild irgendwann übernehmen werden?

Mareike Boccola (MB): Mein Vater hat mir in dieser Hinsicht nie Druck gemacht. Meine jüngere Schwester ist Ärztin, da kam eine Übernahme nicht in Frage. Für mich hatte mein Vater eine Bankausbildung als Erstausbildung mit anschließendem Studium im Kopf. Den Plan habe ich so nicht ganz verfolgt und bin direkt studieren gegangen. Ich habe, ganz klassisch, BWL gewählt, weil man damit breit aufgestellt ist. Letztendlich hat sich alles aus Zufällen ergeben. Ich hatte mich nie strategisch darauf ausgerichtet, das Unternehmen von meinem Vater zu übernehmen. Mir war schon immer sehr wichtig, dass ich nicht einfach als Tochter ins Unternehmen einsteigen wollte. „Tochter von“ ist ja zunächst auch keinerlei Qualifikation. Ich habe viele Jahre im Ausland gelebt, unter anderem in China und Abu Dhabi. Von dort aus habe ich dann erstmalig begonnen, mehr für unser Familienunternehmen tätig zu werden, zum Beispiel bin ich zu wichtigen Messen geflogen.

Wird man in Abu Dhabi als berufstätige Frau und Mutter anders wahrgenommen als in Asien?

MB: Zunächst war ich in China, dort hatte ich keinerlei Probleme. Meiner Meinung nach spielt der Kommunismus dabei stark mit rein. Ich habe von China aus auch Japan und Korea mitbetreut, da habe ich eine ganz andere Erfahrung gemacht. Dort haben sie immer gedacht, ich sei die Assistentin oder Sekretärin. Und mein Mitarbeiter, der mir unterstand, wurde immer als derjenige angedacht, der das Sagen hat. Als ich das Angebot für Abu Dhabi erhielt, meinte ich zu meinem Mann, dass ich das nicht machen würde. Wir gingen an unsere erste Reise dorthin mit der Einstellung heran, dass es dort als Frau gefährlich sei. Jetzt weiß ich: Abu Dhabi bzw. die Vereinigten Arabischen Emirate haben sehr gute Seiten, gerade auch in Punkto Sicherheit. Natürlich läuft dort einiges auch nicht richtig. Gleichzeitig bin ich in meinem Berufsleben dort super anerkannt worden. Ich muss dazu sagen, dass ich mich dort in einem sehr amerikanisch-europäischen Umfeld bewegt habe. Als ich später für meinen damaligen Arbeitgeber Saudi-Arabien mitbetreut habe, hatte ich wiederum oft mal das Gefühl, ich mache etwas falsch in meinem Verhalten als Frau. Es gibt wirklich sehr große kulturelle Unterschiede.

Frauen wird ein hohes Maß an Empathie und Einfühlungsvermögen zugesprochen. Hilft Ihnen diese Eigenschaft in Ihrer Führungsrolle?

MB: Ich beobachte gerne meinen Mann, der als Italiener per se eine sehr feminine, romantische Ader mitbringt. In seinem People Management sehe ich Dinge, die ich bei meinem Vater beispielsweise gar nicht gesehen habe und eher bei mir wiederfinde. Ich glaube, eine gewisse Emotionalität macht Dinge teilweise einfacher. Natürlich nimmt man dadurch auch einige Themen mit nach Hause. Ich nehme mir vieles sehr zu Herzen.

Sie leiten Ihr Familienunternehmen gemeinsam mit Ihrem Mann. Er ist Ingenieur. Eine gute Fügung?

MB: Es war klar, dass mein Mann in Hamm nicht so schnell einen internationalen Job seiner Karriere und Leistung entsprechend finden würde. Es stand von Beginn an fest, dass wir auf keinen Fall pendeln wollten. Wir kannten es aus China, wie viel Zeitverlust das Pendeln mit sich bringt. Mein Mann interessierte sich schon immer für unser Produkt und je mehr er es aus seiner Perspektive als Ingenieur betrachtete, desto mehr Potenzial hat er erkannt. Eines Tages sagte er zu mir, es sei ein Rohdiamant. Am Ende hat es perfekt gepasst, dass wir das Unternehmen gemeinsam führen.

War Ihr Vater die erste Zeit auch noch operativ mit im Unternehmen aktiv?

MB: Ja, das war eine wertvolle und wichtige Zeit. Ich habe früher Ferienjobs hier gemacht und dann war ich erstmal 20 Jahre weg. Wir kannten die ganzen Prozesse gar nicht. Mein Mann hat sich zu Beginn in die Produktion gestellt und erstmal geschraubt. Er wollte bis ins Detail wissen, wie es läuft. So lernte er von der Pike auf, wie die Maschinen funktionieren und wie unsere Produkte hergestellt werden. Danach arbeitete er in der Marktentwicklung und prüfte, an welchen Standorten wir noch nicht stark aufgestellt sind. Heute verkaufen wir in 40 Ländern und haben Partner in 10 Ländern. Ich habe mich parallel den Bereichen Marketing, Kommunikation und Vertriebsunterstützung angenommen.
Bis zu dem Zeitpunkt wurde noch nie Marketing gemacht. Es gab z.B. keinerlei Marketingmaterialien oder auch keine Website.

Haben Sie sich in dem Zuge auch an die interne Kommunikation gemacht?

MB: Ja, vieles lief bis dahin auf Zuruf. Und dann sind wir relativ schnell gewachsen. Im ersten Schritt haben wir ein sehr detailliertes Organigramm erstellt, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten definiert, eine grundlegende interne Kommunikation eingeführt. Diese Erfahrung haben wir beide aus dem Großkonzern mitgenommen. Weihnachtsfeiern und Sommerfeste gab es schon immer. Aber so etwas wie institutionalisierte Abteilungsleitermeetings gab es vorher nicht. Mir ist bewusst, dass interne Kommunikation einen wesentlichen Faktor für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden darstellt. Deshalb versuchen wir auch viel in diese Richtung zu machen und alle mitzunehmen. Gemeinsam Erfolge feiern und gemeinsam Durststrecken durchleben.

Wie hat Ihr Vater darauf reagiert, dass Themen jetzt eine Rolle spielten, die es vorher über viele Jahre gar nicht brauchte?

MB: Ich war sehr überrascht, wie gut er loslassen konnte. Er hat sehr schnell verstanden, dass er seinen Platz räumen muss, damit er nicht mehr als erster Ansprechpartner gesehen wird. Das ging direkt von ihm aus. Er wollte vermeiden, dass es da irgendwelche Unklarheiten gibt. Mein Vater hatte immer schon gesehen, was mein Mann und ich auf die Beine gestellt haben. Er brauchte sich keine Sorgen machen, insofern hatten wir in dieser Hinsicht nie Konflikte.

Hat Ihr Vater anders geführt als Sie und Ihr Mann heute führen?

MB: Wenn Sie heute durch die Reihen gehen und die langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen, werden Sie hören, dass mein Vater immer da war. Er ging jeden Tag durch den Betrieb und hörte sich um, wo der Schuh drückte. Das haben wir von ihm übernommen. Für Mitarbeitende da zu sein und jeden einzelnen wertzuschätzen – diese Kultur hat er eingeführt. In meinen Augen hatte er einen sehr guten Führungsstil. Ob mein Mann und ich vieles anders machen? Ich würde sagen nein. In jedem Fall fordern wir von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Mitdenken und Vorausschauen. Wir wollen ein Entrepreneur-Denken fördern, das bekommen sie nicht, wenn nur die Person an der Spitze alles alleine entscheidet.

Wie gehen Sie den überall gegenwärtigen Fachkräftemangel an?

MB: Ja, das ist ein großes Thema. Ich setze mich sehr stark für das Thema ein. Wir haben neue Mitarbeitende lange Zeit immer über Mund-zu-Mund Propaganda bekommen, langsam stoßen wir an unsere Grenzen. Wir brauchen natürlich jetzt und in Zukunft junge, gut ausgebildete Talente. Gleichzeitig gilt es, das enorme Wissen unserer langjährigen Mitarbeitenden gerade in den Bereichen Forschung, Technik und Entwicklung für das Unternehmen zu konservieren. Wenn diese in Rente gehen, überlegen wir schon vorab, wie wir sie, zum Beispiel als Senior Advisor, auch danach noch an das Unternehmen binden können.

Wie vereinen Sie Familienleben und Ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin?

MB: Ich plane meine Geschäftsreisen nach dem Dasein meiner Eltern. Wir setzen uns zum Jahresbeginn zusammen und gehen über unsere Kalender. An Terminen, wo ich wegmuss, springen meine Eltern ein. Unsere beiden Töchter sind das Wichtigste für uns und haben absolute Priorität. Deswegen mache ich auch viel Homeoffice und bin mittags, wenn es irgendwie geht, immer zuhause. Das ist der große Vorteil, den man als Frau im Familienunternehmen hat. Man kann den Wert Familie in der Organisation hoch ansiedeln. Mir ist bewusst, dass diese Flexibilität, die mir das Unternehmen als Inhaberin schenkt, sehr besonders ist. Das gibt es woanders in der Form nicht.

Haben Sie sich als Familienunternehmen extern beraten lassen?

MB: Gar nicht. Im Nachhinein hätte ich vielleicht einiges anders gemacht, gerade am Anfang. Gerade in der Rollenverteilung zwischen meinem Mann und mir. Aber auch zwischen meinem Vater, mir und meinem Mann. Natürlich ist nicht alles glatt gelaufen, aber insgesamt haben wir es sehr gut hinbekommen. Die wichtigste Erkenntnis, auch als ich Mutter wurde, war die unglaubliche Rolle der Kommunikation. Das Wichtigste ist, dass wir alle miteinander reden. Da mussten wir auch erst reinfinden, weil ich am Anfang immer zwischen meinem Vater und meinem Mann stand. Wenn es bei Nachfolge um eine geht, dann: Es darf nur einen Ansprechpartner für das Unternehmen geben. Alles andere bringt nur Chaos, Unsicherheit, Unzufriedenheit. Die Bedeutung von Kommunikation und klaren Zuständigkeiten sind meine persönlichen Key Learnings.

Was würden Sie anderen Töchtern raten, die eine Nachfolge im Familienunternehmen antreten?

MB: Von Anfang an klare Verantwortlichkeiten festlegen. Und ich würde immer raten, woanders zu lernen. Für den Distanzprozess ist es so viel wertvoller, wenn man die Möglichkeit hat, die Sporen irgendwo anders zu verdienen. Und als letzten Punkt rate ich, die freie Hand zu erbitten. Mein Vater hat immer gesagt „Ihr dürft Fehler machen, macht sie halt nur einmal“.

Machen lassen. Ist das auch der Tipp, den Sie der Seniorgeneration geben möchten?

MB: Ganz genau. Und darauf vertrauen, dass Fehler immer eine Chance mit sich bringen, sich zu entwickeln und daraus zu lernen.

Eine gewisse Emotionalität macht Dinge teilweise einfacher.

Mareike Boccola


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